In der Welt der Unternehmensführung gibt es viele Eigenschaften, die als entscheidend für den Erfolg gelten: Vision, Entschlossenheit, strategisches Denken – die Liste könnte endlos weitergehen. Doch eine Eigenschaft ragt immer wieder als unersetzlich hervor: Ehrlichkeit.
Wie gehen Sie als Führungsperson mit Ehrlichkeit um?
„Dein Konzept ist eine einzige Enttäuschung. Vieles fehlt und ist nicht zu Ende gedacht. Ist dir das denn nicht aufgefallen? So ist es auf alle Fälle unbrauchbar. Das war wohl eine Nummer zu gross für dich!“
Führungspersonen, die ein solch niederschmetterndes, demotivierendes Feedback geben, rechtfertigen sich gerne mit dem Satz: „Ich bin doch nur offen und ehrlich – ich will doch nicht lügen!“
Aber bedeutet Ehrlichkeit, alles ungefiltert, verletzend und taktlos auszusprechen?
Wo ziehe ich die Grenze zwischen Offenheit und Taktgefühl?
Ehrlichkeit in der Führung ist nicht nur eine moralische Verpflichtung, sondern auch eine strategische Entscheidung. Hier sind einige Gründe, warum Ehrlichkeit in der Führung unverzichtbar ist:
Vertrauensbildung: Ehrlichkeit ist für gutes Leadership unabdingbar. Wenn eine Führungsperson Dinge beschönigt, nicht zu eigenen Fehlern steht oder unterschiedliche Aussagen über ein Thema macht, ist die Grundlage für eine gute Zusammenarbeit verspielt. Unehrlichen Menschen vertrauen wir nämlich nicht. Und Vertrauen ist die Basis für gute Teamarbeit.
Glaubwürdigkeit: Führungspersonen, bei denen Worte und Taten übereinstimmen, die konsequent offen und transparent kommunizieren, werden als glaubwürdig oder authenthisch wahrgenommen. Eine glaubwürdige Führung fördert Respekt und Loyalität im Team.
Problemlösung: Ehrliche Führungspersonen sind besser in der Lage, Probleme anzugehen und Lösungen zu finden. Sie sehen der Realität ins Auge und vermeiden es, Probleme zu bagatellisieren. Sie lenken den Blick auf mögliche Lösungen. Dadurch gelingt es dem Team, Herausforderungen besser zu bewältigen.
Engagement: Mitarbeitende, die sich von ihrer Führungsperson respektiert und fair behandelt fühlen, sind motivierter und demzufolge engagierter. Ehrliche Führungspersonen schaffen eine Atmosphäre, in der Mitarbeitende offen ihre Gedanken und Ideen teilen können, ohne Angst vor negativen Konsequenzen zu haben.
Erfolg: Langfristiger Erfolg erfordert ein solides Fundament an Vertrauen und Integrität. Ehrlichkeit in der Führung schafft eine Kultur der Offenheit und fördert dadurch Innovation, die es einem Unternehmen ermöglicht, sich den Herausforderungen des sich ständig wandelnden Geschäftsumfeldes anzupassen.
Wie ehrlich will ich als Führungsperson sein?
Vier Reflexionsfragen, die ich mir zu diesem Thema stelle:
- Will ich ehrliches Feedback geben, auch wenn es unangenehm ist?
Eine ehrliche Rückmeldung darf aber nicht brutal sein wie im oben genannten Beispiel. Ich kann ehrlich sein, ohne zu verletzen. Wer dies als Führungsperson nicht beherrscht, darf üben konstruktiv Feedback zu geben.
- Will ich meinem Team sagen, wo meine Schwächen liegen, ich Hilfe benötige oder dazulernen möchte?
Auch ich bin nur ein Mensch und nicht perfekt. Wer Schwächen vertuscht, ist kein gutes Vorbild.
- Will ich meinen Mitarbeitenden ehrlich sagen, wie es mir geht?
Grundsätzlich ja. Ich mache keinen Hehl daraus, wenn ich müde, überarbeitet oder überfragt bin. Hier gilt „die Dosis macht das Gift“. Nicht jede meiner Launen soll ungefiltert spürbar sein. Sich auch einmal zusammenzureissen ist nicht unecht, sondern professionell.
- Darf ich als Führungsperson Geheimnisse haben?
Aber sicher. Es gibt Fragen – insbesondere, wenn es um vertrauliche Angelegenheiten und Informationen geht – die ich mit „…dazu möchte ich aktuell nichts sagen“ beantworten kann. Auch das ist klar und ehrlich.
Und wie beantworten Sie persönlich diese vier Fragen? Welchen Stellenwert hat Ehrlichkeit für Sie?
Ehrlich zu sein – übrigens auch zu sich selbst – ist manchmal herausfordernd und sehr oft anstrengend. Und: Niemand ist immer 100prozentig ehrlich – das wäre illusorisch.
Trotzdem: „Es ist besser, jemanden mit der Wahrheit zu enttäuschen, als mit einer Lüge zu beruhigen“, schreibt auch der bekannte amerikanische Autor Simon Sinek.
Sich zu bemühen, ehrlich zu sein, wird sich auszahlen. Davon bin ich überzeugt.
Lassen Sie uns also mit gutem Beispiel vorangehen!
Herzlich,
Gabriela Heller