Vertrauen schenken, zuverlässig handeln, empathisch im Kontakt, aufmerksam agieren… diese und weitere Sozial-Kompetenzen haben wir als Führungspersonen verinnerlicht. Insbesondere in Krisenzeiten ist es hilfreich, Mitarbeitende entsprechend zu begleiten, damit sie im Idealfall gestärkt daraus hervorgehen.
Aber… nicht immer gelingt uns dies. Stehen wir nämlich selbst unter Leistungsdruck, fühlen uns emotional gestresst, sind in Zeitnot, belastet oder genervt, dann verlieren wir unsere wertschätzende Führungshaltung nur allzu schnell aus dem Fokus. Denn unbewusst verfallen wir automatisch in einen vereinfachenden Handlungsmodus.
Dies veranschaulicht das nachfolgende Modell, welches ich in meiner aktuellen Weiterbildung zur Meditationslehrerin/Mental-Coach von Jean-Pierre Crittin kennenlernen durfte.
Das Modell zeigt einerseits die 4 wesentlichen Faktoren, die für eine konstruktive, verlässliche Beziehungsgestaltung und einen empathischen Umgang miteinander hilfreich (wenn nicht sogar unabdingbar) sind, andererseits die 2 ungünstigen Handlungsvarianten im Falle von Überforderung.
ECHTHEIT bedeutet ich stehe zu mir. Ich zeige mich offen, ehrlich, authentisch mit all meinen Stärken und Schwächen.
EINFÜHLSAMKEIT bedeutet ich versetze mich in die Situation einer anderen Person und pflege einen rücksichtsvollen Umgang.
Anmerkung: Einfühlsamkeit lässt sich mit Empathie gleichsetzen. In der aktuellen Forschung gibt es verschiedene Differenzierungen von Empathie (vgl. managerseminare.de):
- Als emotionale Empathie oder emotionale Sensibilität wird die Fähigkeit bezeichnet, die Gefühle des Gegenübers nachzuempfinden. Je emotional-sensibler ein Mensch ist, desto höher ist in der Regel sein Bedürfnis, anderen zu helfen. Besonders wichtig ist emotionale Empathie für den Aufbau stabiler zwischenmenschlicher Beziehungen.
- Die soziale Empathie beschreibt die Fähigkeit, die Gefühle anderer Menschen nicht nur mitzufühlen, sondern sie auch nachzuvollziehen – also ihre Gefühlswelt sozusagen bewusst zu erfassen. Sozial-empathische Menschen zeichnen sich dadurch aus, dass sie ein von anderen als besonders angemessen und taktvoll empfundenes Verhalten zeigen. Sie haben ein gutes Gespür für andere Menschen und verfügen meistens über ein stabiles soziales Netzwerk.
- Die kognitive Empathie ermöglicht es, sich in die Rolle und Position einer anderen Person hineinzuversetzen und die Welt aus ihrer Sicht zu sehen, ohne sich darin zu verlieren. Menschen mit hoher kognitiver Empathie sind häufig gute Ratgebende, weil es ihnen gelingt, anderen Personen neue Perspektiven zu eröffnen.
Aber Achtung: In der Praxis lassen sich diese 3 Hauptarten der Empathie nicht scharf voneinander trennen – sie überschneiden sich!
Im Führungsalltag gilt vor allem die kognitive Empathie als zentral. Sie ermöglicht es, die Mitarbeitenden zu unterstützen, ohne ihre Probleme und Sorgen zu sehr zu den eigenen zu machen und sich von diesen aufzehren zu lassen.
WERTSCHÄTZUNG bedeutet ich nehme andere Personen ernst und respektiere sie. Ich schenke ihnen Vertrauen, mute ihnen etwas zu und beziehe sie mit ein.
WOHLWOLLEN bedeutet ich will, dass es dir UND mir gut geht. Dazu gehört Kompromissbereitschaft. Es liegt mir viel daran, dass sich eine Situation gut entwickelt.
Fühlen wir uns selbst gestresst, verlieren wir diese respektvolle Haltung gerne aus den Augen und greifen (unbewusst) auf zwei vereinfachende Handlungsvarianten zurück: Wir reagieren autoritär oder antiautoritär.
Handle ich aus meiner Not heraus autoritär, treffe ich beispielsweise Entscheidungen über die Köpfe meiner Mitarbeitenden hinweg. Manchmal mag dies effizient und richtig sein. Überwiegt dieses Verhalten jedoch in meinem Führungsalltag, gestaltet sich mein Führungsstil als rücksichtslos.
Reagiere ich hingegen antiautoritär, werde ich meinen Mitarbeitenden gegenüber gleichgültig. Ich schütze mich, indem mir alles egal wird und ich keine Verantwortung mehr übernehmen will. Ein Miteinander wird dadurch unmöglich.
Beide Varianten zeugen von persönlicher Überforderung und führen selten zum gewünschten Ergebnis, nämlich einer gelingenden Gestaltung einer Führungsbeziehung.
Wie aber gelingt es Gegensteuer zu geben?
Zuerst einmal gilt es zu erkennen, welche Reaktionsmuster ich in belastenden, stressvollen Situation zeige. Reagiere ich eher autoritär oder eher antiautoritär?
Dazu kann ich beispielsweise Feedback aus meinem Team einholen oder mir die nötige Zeit für konstruktive Selbstreflexion nehmen. Folgende Fragen können mich leiten: Wie gehe ich mit meinen persönlichen Ressourcen um, wie baue ich Stress ab, wie organisiere ich mich idealerweise, wie gelassen reagiere ich in hektischen Situationen, wie resilient bin ich?
Weiterführende Links:
Führen und Wirken – Selbstreflexion in 4 Schritten
Sechs Ideen für mehr Gelassenheit
Gemeinsam unsere Resilienz stärken
Sollte Selbstreflexion «im stillen Kämmerlein» nicht Ihrer Persönlichkeit entsprechen, stehe ich Ihnen gerne für eine Prozessbegleitung zur Seite.
Kopf und Herz
Ich wünsche uns allen, dieses Wertemodell nicht nur mit dem Kopf zu erfassen sondern es auch zu leben und in unseren Herzen zu verinnerlichen. Dann stehen die Chancen für gelingende Führung – und generell gelingende Beziehungsgestaltung – äusserst gut.
Ihre
Gabriela Heller