Was hat Führung mit Philosophie zu tun?
Fachliche Kompetenz und antrainierte Führungsmethoden reichen leider nicht aus, um erfolgreich zu führen. Führung erfordert Souveränität. Und diese kann durch Selbstreflexion erreicht werden. Philosophie IST Reflexion. Sie regt zum selbständigen Denken und unabhängigem Urteilen an.
Sokrates (Bild) gehört mit Aristoteles und Platon zu den bekanntesten und einflussreichsten Personen in der Geschichte der Philosophie.
Philosophie ist die älteste Wissenschaft, welche die Welt und das menschliche Dasein überdenkt. Sie entlarvt vorschnell übernommene Positionen, bietet Denkanstösse für neue Betrachtungs- oder Herangehensweisen und trägt so dazu bei, Entscheidungen umsichtiger zu fällen, verschiedene Perspektiven zu berücksichtigen und Werte besser zu verankern.
Philosophieren bedeutet also nachdenken, sinnieren, reflektieren. Im Führungsalltag trifft man heute erfreulicherweise Begriffe wie Achtsamkeit, Meditation und Resilienz immer häufiger an.
Trotzdem kommt die Selbstreflexion noch immer zu kurz. In unserer schnelllebigen, digitalen Welt fehlt dazu oft die Zeit – oder wir räumen anderen Dingen einen höheren Stellenwert ein?
Sich regelmässig etwas Zeit zu nehmen, um eigene Ansichten, Wertvorstellungen und Glaubenssätze zu überprüfen und evtl. anzupassen, kann sehr wertvoll sein, denn es bringt einen selbst (und das direkte Umfeld) weiter.
Wir alle wissen: Selbstführung ist die wichtigste Eigenschaft einer Führungskraft. Und diese stärkt man durch regelmässige Selbstreflexion.
Selbstreflektion wirkt nachweislich
Dies ist auch wissenschaftlich belegt. Laut einer neurowissenschaftlichen Untersuchung aus der Schweiz konnte nachgewiesen werden, dass bei der Selbstreflexion ein bestimmtes Hirnareal aktiviert wird, welches wichtige Informationen (eigenes Wertegerüst und persönliche Ziele verdeutlichen) vernetzt.
Mittlerweile gibt es auch spezialisierte Beratungsunternehmen, die aufbauend auf den Lehren von antiken Philosophen (Sokrates, Platon, Konfuzius) die Führungskräfte bei ihrer Selbstreflexion unterstützen.
Als Führungskraft benötige ich jedoch nicht zwingend einen professionellen Berater, um von philosophischen Methoden zu profitieren.
Persönliche Lebensphilosophie reflektieren und weiterentwickeln
Als Erstes kann es spannend sein, sich hinzusetzen und einmal über seine persönlichen Werte nachzudenken, sie ins Bewusstsein zu holen.
Zwei Fragestellungen bekannter Philosophen können dabei zum Reflektieren anregen:
1. Aristoteles (Griechischer Philosoph und Naturforscher, 384 – 322 v. Chr.)
Der, der sich seinem Wunsch unterwirft, ist mutiger als derjenige, der seine Feinde unterwirft, weil der am schwersten zu erringende Sieg der Sieg über einen selbst ist.
- Welche Charakter-Eigenschaften sind mir am wichtigsten und wie kann ich sie in meinem Leben zum Ausdruck bringen?
2. Nietzsche (Deutscher Philosoph, 1844 – 1900 / ab 1869 übersiedelte er nach Basel und war staatenlos)
Du sollst werden, der du bist.
- Wie will ich meine eigenen Interessen fördern und meinen Wertvorstellungen entsprechend handeln?
Eigene Ansichten hinterfragen
Selbstverständlich gibt es unzählige grosse Philosophen, die zum Nachdenken anregen können. Hier einige Beispiele:
Sokrates (Griechischer Philosoph, 469 – 399 v. Chr.)
Ich weiss, dass ich nichts weiss.
Mit dieser Aussage wollte Sokrates die Leute animieren, sich immer wieder selbst zu hinterfragen. Er hat die alten Griechen vormittags auf dem Marktplatz mit seinen Fragen so lange gelöchert, bis sie ihre Ansichten revidieren mussten.
Immanuel Kant (Deutscher Philosoph, 1724 – 1804)
Sapere aude! Hab den Mut, dich deines eigenen Verstandes zu bedienen.
Über den Tellerrand schauen und sich seiner eigenen subjektiven Betrachtungsweise bewusst werden – dafür plädierte Kant.
Seneca (Römischer Philosoph, 1 – 65 n. Chr.)
Es gibt keinen grösseren Beweis für Geistesgrösse, als wenn man sich durch nichts, was einem begegnen kann, in Aufruhr bringen lässt.
Der berühmte römische Stoiker war auch Lehrer von Kaiser Nero. Er stellte zum Beispiel die Frage, wie man ein Gefühl stoischer Ruhe erreicht, in einer ruhelosen, von Sorgen umgetriebenen Welt. Er war der Meinung man solle die Widerstände der Welt als Herausforderungen betrachten, an denen man wachsen könne.
Epiktet (Griechischer Philosoph, 50 – 135 n. Chr.)
Der Weg zum Glück besteht darin, sich um nichts zu sorgen, was sich unserem Einfluss entzieht.
Epiktet vertrat die Ansicht, dass wir uns nicht unnötig über Dinge aufregen müssen, die wir nicht beeinflussen können. Stattdessen sollen wir uns besser auf das fokussieren, was wir ändern und/oder verbessern können.
Marc Aurel (Italienischer Stoiker, 121 – 180 n. Chr.)
Alles, was du brauchst, ist folgendes: sicheres Urteilsvermögen im gegenwärtigen Augenblick; Einsatz für das Gemeinwohl im gegenwärtigen Augenblick; und ein Gefühl von Dankbarkeit im gegenwärtigen Augenblick.
Wahrnehmung, Handeln, Wille. Dies sind seiner Ansicht nach die drei essenziellen Aspekte nach denen wir leben sollen.
Ist es nicht erstaunlich, dass Seneca, Epiktet und Aurel sich bereits in ihrer Zeitepoche auf eine Reihe von Fragen konzentrierten, die auch wir uns in der heutigen Zeit noch immer stellen:
- Auf welche Art und Weise soll ich am besten leben?
- Wie gehe ich mit meiner Wut um?
- Was sind meine Verpflichtungen anderen Menschen gegenüber?
- Ich habe Angst zu sterben: Warum ist das so?
- Wie gehe ich mit schwierigen Situationen um, mit denen ich konfrontiert werde?
- Wie gehe ich damit um, dass ich mächtig und erfolgreich bin?
In der heutigen Management-Literatur finden wir unzählige neue Bücher zum Thema Führung. Ist es denn wichtig, immer die neuste Literatur zur Hand zu nehmen, um die eigenen Führungskompetenzen zu vertiefen?
Können uns nicht auch die Erkenntnisse berühmter Philosophen inspirieren und zu neuem Denken anregen?
Ich meine ja. Ihre Erkenntnisse erlebe ich persönlich als ergänzend, vertiefend, bereichernd und wegweisend. Denn:
Wer andere kennt, ist klug. Wer sich selber kennt, ist weise.
Laotse (Chinesischer Philosoph, 6. Jh. v. Chr.)
In diesem Sinne wünsche ich auch Ihnen viel Vergnügen und stimmiges Philosophieren.
Herzlich,
Ihre
Gabriela Heller