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Gelassenheit

12. Juni 2019

Unternehmende und Führungskräfte sind herausgefordert, sich in der viel beschriebenen VUCA-Welt (Volatility, Uncertainty, Complexity, Ambiguity – Unbeständigkeit, Unsicherheit, Komplexität, Mehrdeutigkeit) souverän zu bewegen.

Wie schwierig dies ist, erleben wir alle jeden Tag. Ein wichtiger Teil der Lösung ist Gelassenheit.

Unser Leben steckt voller Widersprüche. Unsere westliche Kultur ist geprägt von Leitsätzen, die es erschweren, gelassen mit unserem Leben umzugehen und Zufriedenheit zu entwickeln. Wie etwa: Es gibt nur ein Entweder-Oder, alles andere ist unlogisch und chaotisch; Gelassenheit bedeutet Resignation und Selbstaufgabe; Zeit ist Geld, deshalb bleibt wenig Zeit für Besinnung und Ruhe; schneller, höher, weiter – es kann nie genug Leistung erbracht werden uvm.

Diese kulturelle (Lebens-)Haltung stösst jedoch an ihre Grenzen. Ein Umdenken ist angesagt. Stress, Burnout- und Boreout-Syndrom, Psychosomatik, Sinnlosigkeits-Syndrom usw. zwingen uns, unsere Werte zu überdenken.

Viele Menschen haben dies erkannt. Denn nicht zufällig stossen östliche Philosophien auf grosses Interesse, erleben Zen-Gruppen einen starken Zulauf und entstehen alternative Ökonomien.

Gelassenheit wird somit nicht nur als Lebenskonzept interessant sondern ist von grosser Notwendigkeit.

Wie funktioniert überhaupt Gelassenheit? Bedeutet es die totale Entspannung, locker zu sein, ein gemächliches, ruhiges oder gleichgültiges Leben zu führen?

Beginnen wir zuerst einmal damit, was Gelassenheit nicht sein kann. Dazu ein Beispiel:

Kürzlich erhielt ich eine Trainingsanfrage. Im persönlichen Gespräch erlebte ich den Kunden sehr hektisch. Sein Gesichtsausdruck war extrem angespannt – wenn nicht sogar verbissen. Seine Körperhaltung widerspiegelte seine Verspannungen und aufgrund seiner Äusserungen kam ich zum Schluss, dass er ein äusserst gestresstes Leben führt. Im Laufe unserer Verhandlung erkannte ich zudem, dass er ein Kontrollbedürfnis hatte und immer Recht haben wollte.

Ich dachte mir: Dieser Mensch ist bestimmt vieles, aber definitiv nicht gelassen…


Was aber ist Gelassenheit?

Beleuchten wir das Wort Ge-lassen-heit etwas genauer: LASSEN kann sowohl die Bedeutung von LOS-LASSEN (Gegenteil von festhalten) als auch von ZU-LASSEN (Gegenteil von abwehren) haben.

Es geht also einerseits um das Loslassenkönnen – beispielsweise von fixen Vorstellungen wie etwas zwingend sein soll oder von starren Vorurteilen. Andererseits geht es um das Zulassenkönnen – beispielsweise von beängstigendem Neuem oder chaotischen, unlogischen Herausforderungen.

Roswita Königswieser definiert es wie folgt: „Gelassenheit beschreibt den Umgang des Menschen mit den eigenen Grenzen. Gelassenheit ist eine schwer erklärbare Form von aktiver Passivität, ist Oszillieren statt Agieren. Gelassenheit bedeutet, die vollen Widersprüche des Lebens durch sich durchzulassen.“

Aber Vorsicht: Ein Mensch, der alles zu-lässt, verfügt über wenig Identität. Ein Mensch, der alles los-lässt zeigt ebenfalls wenig Profil.

Gelassenheit bedeutet eine ausgewogene Balance zu finden zwischen den Polen:

  • fest und offen
  • abgegrenzt und neugierig
  • überlegend und risikobereit
  • verzichtend und geniessend


Nur wem dieses Balancieren zwischen den Polen gelingt, der kann mit Widersprüchen im Alltag umgehen und seine persönliche Lebendigkeit zulassen.

Empfehlungen, wie dies gelingen kann, erhalten Sie in meinem nächsten Blog.

 

Herzlich,

Ihre
Gabriela Heller